Die Preise für Baumaterialien sind stabil und die Materialengpässe behoben. Sieht die Bauwirtschaft jetzt, da auch die Zinsen sinken, endlich Licht am Ende des Tunnels?
Prof. Dr. Tobias Just: Das Licht am Ende des Tunnels sehen wir, aber bis zum Ende des Tunnels ist es noch ein weiter Weg. Und die Landschaft auf der anderen Seite des Tunnels wird anders sein als die vor Einfahrt in den Tunnel gewohnte Umgebung. Mit einer starken Konjunktur und niedrigen Zinsen gute Geschäfte zu machen, das war einfach für die Bau- und Immobilienwirtschaft. Diese Zeiten kommen nicht wieder.
“Künftig wird es schwieriger sein, Gewinne zu machen. Kluges Asset Management, also vor allem kreatives Leerstands-Management und verantwortungsbewusste Bestandsentwicklungen werden erfolgskritisch.“
Prof. Dr. Tobias Just
Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie
Dabei sollten sinkende Zinsen doch den schwächelnden Wohnungsbau unterstützen. 400.000 Wohnungen will die Bundesregierung jedes Jahr neu gebaut wissen – davon ist sie weit entfernt.
Prof. Dr. Tobias Just: So schön es ist, dass die Europäische Zentralbank der schwächelnden Wirtschaft unter die Arme greift: Auf einen Stand wie vor drei Jahren werden die Zinsen in absehbarer Zeit nicht fallen. Gleichwohl werden dringend neue Wohnungen benötigt. Deshalb sollte die Bundesregierung derzeit nicht ablassen von ihrem Ziel, den Wohnungsbau zu stärken. Wir brauchen diese Wohnungen, und zwar eigentlich gestern. Das heißt allerdings nicht, dass wir dieses Ziel – 400.000 neue Wohnungen pro Jahr – in den nächsten zwei Jahrzehnten dauerhaft beibehalten müssen.
Weil wegen des demografischen Wandels bald viele Wohnungen und Häuser
freiwerden?
Prof. Dr. Tobias Just: Die Daten zeigen deutlich, dass der frei werdende Bestand wachsen wird. Allerdings wird die Nachfrage nach diesen Wohnungen und Häusern aus den 1950er- bis 1980er-Jahren, oft eingestuft mit der Energieeffizienzklasse G oder H, wohl überschaubar bleiben. Da gibt es einiges zu investieren, um diese Häuser auf den Level der Energieeffizienzklassen B oder C zu heben. Wobei ich sagen muss: Diese Investitionen wären ausgesprochen sinnvoll. Die erste eingesparte Tonne Kohlendioxid ist die billigste eingesparte Tonne …
… während die für Neubauten angestrebte Effizienzklasse A das Bauen verteuert
und damit mitunter sogar verhindert?
Prof. Dr. Tobias Just: Wenn wir sämtliche Bestandsbauten auf ein vernünftiges Level an Energieeffizienz bringen, hilft uns das in Sachen Klimaschutz schon aufgrund der schieren Zahl an Bestandsbauten mehr als der Neubau von wenigen, aber besonders effizienten Wohnungen. Zumal schon einige wenige Investitionen viel bringen an Energieeffizienz. Auf der anderen Seite werden Neubauten teurer, wenn ESG-Vorgaben eingehalten werden müssen. Das kann eine echte Hürde sein – und Investoren zum Umdenken bringen. Die berechnen ja, bevor sie investieren, die anschließende Rendite. Und wenn diese Rendite zu mager ausfällt, wird eben nicht gebaut, sondern beispielsweise in Anleihen investiert.
Sind Investments in Büros in Zeiten des Homeoffice noch ausreichend lukrativ?
Prof. Dr. Tobias Just: Büros waren früher unverzichtbar, um die anfallenden Aufgaben abzuarbeiten. Deshalb entstanden die Bürohäuser mit endlosen Gängen, von denen rechts und links die Zimmer abgingen – oder mit Großraumbüros samt Schreibtischschluchten. Die Arbeit hat sich geändert, die Büros bisher nicht genügend. Durch das Homeoffice wird dieses gestrige Verständnis durcheinander gewirbelt. Wenn es um das reine Abarbeiten von Aufgaben geht, kann ich das im Homeoffice oft viel effizienter erledigen. Das Büro übernimmt heute andere Aufgaben: Hier treffe ich Menschen, hier kann ich Ideen entwickeln und im Austausch vorantreiben, hier kann ich gemeinsam produktiv sein. Je wichtiger oder gar unverzichtbar dieser Austausch ist für das Unternehmen, desto eher wird sich der Arbeitgeber auf ein anderes Büro-Verständnis einlassen. In diesem neuen Büro-Verständnis gibt es ganz unterschiedliche Räume: für kreative Teams, für größere Konferenzen, fürs Telefonieren, aber auch fürs zwanglose Zusammenkommen. Activity Based Working heißt das. Früher wurde die Kaffeeküche als informelles Austauschzentrum eher geduldet – jetzt werden genau solche Orte bewusst geschaffen für den Austausch.
Das Büro wird also neu erfunden?
Prof. Dr. Tobias Just: Jein. Überall in Deutschland gibt es Pioniere, die dieses Verständnis von Büro schon umsetzen. Wie gesagt: Je wichtiger der Austausch, desto offener die Arbeitgeber. Allerdings wird es weiterhin die „klassischen“ Büros mit dem Charme der 1980-Jahre geben, zu günstigeren Mietkonditionen. Die werden wir allerdings eher an den Rändern der Stadt finden.
Arbeiten mit einem „Wow!“
Büro neu denken: Activity-Based Working fördert im Deutschlandhaus – der neuen Zentrale der Haspa – dass die Angestellten sich noch stärker miteinander austauschen und vernetzter arbeiten.
Während die modernen Büros die Innenstädte erobern und dort einziehen, wo der Einzelhandel aufgibt?
Prof. Dr. Tobias Just: Vor allem werden die Menschen die Innenstädte zurückerobern und dort wohnen. Wenn ihr Arbeitsplatz um die Ecke liegt, warum sollten sie im Homeoffice bleiben? Also gehen sie häufiger ins Büro – als Ort der Kommunikation und des Austauschs. Und wenn ich in der Stadt wohne, kaufe ich natürlich dort auch ein. Von „Transaktionseffizienz“ spricht die Wissenschaft. Wenn ich auf dem Weg vom Büro nach Hause am Supermarkt vorbeikomme, kaufe ich gleich dort ein. Das belebt den Einzelhandel vor Ort.
Wo sollen die Menschen wohnen in der Innenstadt, in umgewandelten Kaufhäusern und Bürogebäuden?
Prof. Dr. Tobias Just: Es wäre zu schön, wenn es so einfach wäre. So charmant die Idee ist: Es ist aufwändig und selten rentabel, Kaufhäuser oder Büros in Wohnungen umzuwandeln. Das liegt vor allem an den vielen Leitungen etwa für Heizungen und Wasser, die Wohnungen benötigen, Kaufhäuser aber nicht. Es liegt ebenso an baulichen den Anforderungen zur Beleuchtung, Belichtung und natürlich dem Brandschutz. Das alles genehmigungsfähig umzusetzen, ist teuer. Meist: zu teuer.
Okay, also weder im Büro- noch im Kaufhaus wohnen. Wo denn?
Prof. Dr. Tobias Just: Viele Immobilieneigentümer haben in den vergangenen Jahren darauf gesetzt, dass die Nachfrage nach Büros wieder anzieht. Das wird in der erhofften Form wohl nicht passieren. Immobilieneigentümer müssen also darüber nachdenken, was es an Alternativen gibt. Das sind keine erfreulichen Gedankenspiele, denn oft geht es darum, in welchem Szenario der Verlust am geringsten ausfällt. Ich halte viel von der Idee der Nachverdichtung durch Aufstockung: Warum nicht ein Kaufhaus um ein oder zwei Etagen mit Penthouses aufstocken? Das ermöglicht Wohnen in der Stadt – zu entsprechenden Mietkonditionen und hilft niedrigere Mietkonzepte in unteren Etagen zu subventionieren. Solche Konzepte müssen die Städte durchspielen.
Damit wäre dem Einzelhandel in den Innenstädten allerdings nicht geholfen …
Prof. Dr. Tobias Just: Wer dringend eine Hose braucht, muss nicht in die Stadt fahren: Die wird im Internet bestellt. Für Städte sprechen Kultur, zwangloses Im- Café-Sitzen, medizinische Versorgung und eine bessere soziale Infrastruktur, also Schulen oder Kitas. Das macht Städte anziehend und lockt die Menschen an. Wenn wir dann noch mehr Grün in die Städte lassen, kann es dort richtig schön sein. Wenn man durch die Straßen flaniert und im Schaufenster eine ansprechende Hose sieht, dann kauft man die vor Ort – vielleicht. Es sind weniger die Einzelhändler als diese „Amenities“, diese Annehmlichkeiten, die Innenstädte mit ihren kurzen Wegen so lebenswert machen. Der Handel wird also dort besonders überlebensfähig sein, wo es besonders lebenswert ist. Nicht alle Städte haben das schon verstanden. Um das an einem Beispiel zu illustrieren: Das grüne Rheinufer in Düsseldorf zieht viele Menschen an – in Köln ist dies nicht gelungen.
Was heißt das für Investoren: Abwarten, bis endlich das Ende des Tunnels erreicht wird?
Prof. Dr. Tobias Just: Es hat sich zwar noch nicht alles gerade geruckelt, aber es ist absehbar, wie sich die Bauwirtschaft in den kommenden Jahren entwickeln wird. Bei Wohnungen sanken die Preise und die Mieten steigen weiter, sodass vertretbare Renditen wieder absehbar sind. Bei Gewerbeimmobilien gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Segmenten. Hier sind Know-how und Erfahrung des einzelnen Investors beziehungsweise Unternehmens gefordert, die richtige Entscheidung zu treffen. Das gilt insbesondere für Investitionen in Bestandsbauten. Das ist nicht leicht, sondern schwer verdientes Geld – aber es ist Geld.
Prof. Dr. Tobias JustProf. Dr. Tobias Just lehrt seit 2011 Immobilienwirtschaft an der IREBS International Real Estate Business School der Universität Regensburg. Zuvor war er als Director für Sektor- und Immobilienanalyse bei Deutsche Bank Research tätig. Prof. Dr. Just ist zudem Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie, die Weiterbildungsprogramme etwa in Hamburg, Frankfurt, Berlin und München anbietet.
Wir, als Ihre Sparkasse, verwenden Cookies, die unbedingt erforderlich sind, um Ihnen unsere Website zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie Ihre Zustimmung erteilen, verwenden wir zusätzliche Cookies, um zum Zwecke der Statistik (z.B. Reichweitenmessung) und des Marketings (wie z.B. Anzeige personalisierter Inhalte) Informationen zu Ihrer Nutzung unserer Website zu verarbeiten. Hierzu erhalten wir teilweise von Google weitere Daten. Weiterhin ordnen wir Besucher über Cookies bestimmten Zielgruppen zu und übermitteln diese für Werbekampagnen an Google. Detaillierte Informationen zu diesen Cookies finden Sie in unserer Erklärung zum Datenschutz. Ihre Zustimmung ist freiwillig und für die Nutzung der Website nicht notwendig. Durch Klick auf „Einstellungen anpassen“, können Sie im Einzelnen bestimmen, welche zusätzlichen Cookies wir auf der Grundlage Ihrer Zustimmung verwenden dürfen. Sie können auch allen zusätzlichen Cookies gleichzeitig zustimmen, indem Sie auf “Zustimmen“ klicken. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit über den Link „Cookie-Einstellungen anpassen“ unten auf jeder Seite widerrufen oder Ihre Cookie-Einstellungen dort ändern. Klicken Sie auf „Ablehnen“, werden keine zusätzlichen Cookies gesetzt.