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Immer an der Wand lang – „Die Reisser“

Die alte Tapete, die Stefan Duwensee gerade von der Wand gerissen hat, stammt aus vergangenen, bunten Zeiten: Orange-gelb-braune-Muster waren in den 1970er Jahren in Deutschlands Wohnzimmern angesagt. „Manchmal kratzen wir uns durch die Jahrzehnte“, lächelt Duwensee. Zusammen mit Ines Weikamp führt der gelernte Tischler seit Anfang 2021 die Handwerksfirma „Die Reisser“. Die wird geholt, bevor eine Wohnung modernisiert, renoviert oder saniert wird. „Wir reißen ab, was raus muss“, sagt der Firmenchef. „Tapeten, Böden, Trockenbauwände, Schränke, Badewanne, Toiletten - und was sonst noch so anfällt“.

Klinikweg in Barmbek-Süd. Eine Wohnung soll renoviert werden. Die Kacheln der Küche, ein Einbauschrank und die Tapeten müssen vorher entfernt werden. Ein dreiköpfiges Team von Die Reisser rückt mit einem Ford Transit an. An Bord haben die Männer alle Werkzeuge, die sie für ihre Arbeit benötigen: Elektro-Stemmhammer, Vorschlaghammer und Handmeißel, eine Wasserpumpe, mit der die Tapeten gewässert werden, damit diese sich einfacher von der Wand lösen lassen, Stoßscharren, Tapetenschaber und Trapezspachtel zum Abkratzen. Die Tätigkeiten, die auf dem Auftragsprotokoll stehen, müssen verlässlich und termingerecht erledigt werden, denn die anderen Gewerke, beispielsweise Bodenleger, Maler, Sanitär- und Heizungsinstallateur, warten. Ohne die Vorarbeiten der Rahlstedter können sie nicht beginnen.

„Oft werden wir sehr kurzfristig gerufen“, berichtet Stefan Duwensee. „Die Verwaltung oder der Immobilieneigentümer denken manchmal zu spät daran, dass erst das Alte komplett raus muss, bevor das Neue rein kann.“ Die Konsequenz: Es muss schnell gehen. Selbst an Feiertagen. Duwensee berichtet von einem solchen „Feuerwehreinsatz“ im Frühjahr: „Ein Kunde rief uns am Freitag an, er hatte sich auf einer Baustelle zeitlich verplant. Bis Montag sollten in der Wohnung die Tapeten entfernt sein. Samstag war der 1. Mai, der als Feiertag für Arbeitnehmer frei sein muss. Also sind Ines Weikamp und ich selbst los und haben einen Tag lang abgerissen.“ Damit hatten die Beiden dem Kunden aus der Bredouille geholfen, der revanchierte sich ein paar Tage später mit einem lukrativen Folgeauftrag.

Gegründet hat Stefan Duwensee die Firma im Mai vergangenen Jahres – mitten im ersten Lockdown - zusammen mit seinem Sohn Paul, der berufsbedingt zum Ende des letzten Jahres als Geschäftsführer bei DIE REISSER ausschied. „Wenn aber die Hütte brennt, ist er immer noch im reisserischen Einsatz“, lächelt Handwerker Duwensee. Er ist froh, dass die Immobilien- und Baubranche 2020 keinen großen Einbruch erlitten hat: „So ist unser Start geglückt.“ Konkurrenten haben Die Reisser kaum im norddeutschen Raum. Ihr größter Einsatzort ist Hamburg, aber auch in Heringsdorf an der Ostsee und auf Sylt war die junge Firma schon tätig. Es sei erschreckend, in welchem Zustand sich manche Wohnung befindet: „Oft kommen wir in Räume, die 30 oder 40 Jahre keinen Tropfen frische Farbe gesehen haben.“ Dann hieße es: „Augen zu und durch.“ Bei solchen Einsätzen müsse man darauf achten, dass die Mitarbeiter körperlich gut geschützt sind. Den anfallenden Müll trennen die Handwerker und entsorgen ihn in der Regel auf dem Recyclinghof am Wilma-Witte-Stieg. Oder sie nutzen Big Bags, große Plastiksäcke, die sie an den Straßenrand stellen, wo sie von einem Fuhrbetrieb aufgenommen und entsorgt werden.

Das Geschäft der jungen Handwerksfirma läuft gut. „Wir sind total zufrieden“, sagt Stefan Duwensee. „Und die Aussichten für uns sind klasse, schließlich werden die Leistungen, die wir anbieten, immer gebraucht.“ Ines Weikamp, Grafikerin und Entwicklerin des Firmenauftritts: „Außerdem sind wir sicher, dass sich unsere Zuverlässigkeit und die Qualität unserer Arbeit herumspricht.“ Sie ist häufiger mit auf der Baustelle, kümmert sich jedoch vornehmlich um das Backoffice, die Werbung und die Kaltaquise.

„Aber ich reiße auch gerne mit ab“, sagt sie. „Und gut“, ergänzt ihr Partner schmunzelnd. Umsatz und Gewinn aber sind nicht alles für das Unternehmerpaar: Die Beiden möchten Menschen mit kognitiver oder körperlicher Behinderung eine berufliche Perspektive bieten. Drei Festangestellte beschäftigen sie derzeit. Einen von ihnen, der besonders schnell ist, nennen sie „den Tapetenflüsterer“. Stefan Duwensee, der vor seinem Sprung in die Selbständigkeit für einen Bildungsträger gearbeitet hat: „Wir sind ein tolles Team. Manchmal lachen wir auf der Baustelle so laut, dass wir alle anderen Geräusche übertönen.“ Das war auch der Fall, als drei Mitarbeiter der Firma, die in einer Pause auf dem Balkon einer Wohnung standen, aus Versehen von einem Klempner ausgesperrt wurden.

Unglücklicherweise befanden sich das Trio im 8. Stock eines Wohnhauses. Duwensee: „Die haben mich per Handy angerufen, ich bin dann dahingefahren, die haben den Wohnungsschlüssel vom Balkon heruntergeworfen und ich habe sie befreit.“

Die REISSER ist einer der drei Favoriten aus der Haspa Aktion „Stark fürs Handwerk“. Die Haspa initiierte diese Aktion, um die Sichtbarkeit dieses wichtigen Wirtschaftszweigs für Hamburg auch während der Corona-Pandemie zu steigern. Die Betriebe konnten sich hierzu bewerben.

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